Für die Behandlung der AML stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Die Auswahl der Behandlung richtet sich nach einer ganzen Reihe von Faktoren wie der genauen Ausprägung (Subtyp) der AML und ihrer speziellen genetischen Merkmale, der Vorgeschichte, möglichen Begleiterkrankungen, dem Alter und dem körperlichen Allgemeinzustand sowie den individuellen Wünschen des Betroffenen.1,2
Grundsätzlich wird bei den verfügbaren Behandlungsoptionen zwischen intensiven und nicht-intensiven Therapien unterschieden. Bei jüngeren, fitten Patientinnen und Patienten besteht die Chance, mittels intensiver Therapien eine potenzielle Heilung der AML zu erreichen. Kommen Betroffene für eine intensive Chemotherapie nicht infrage, besteht das Therapieziel in einer Lebensverlängerung bei möglichst hoher Lebensqualität durch eine nicht-intensive Behandlung.1,2
Auch wenn die AML – beispielsweise durch eine intensive Chemotherapie – zunächst zurückgedrängt (Remission) wurde, besteht im weiteren Zeitverlauf immer ein Risiko für einen Krankheitsrückfall (Rezidiv). Ursache ist meist eine minimale Resterkrankung (Minimal Residual Disease, MRD), die auch nach der Behandlung fortbesteht. In klinischen Studien werden weiterhin neue Strategien wie die Erhaltungstherapie untersucht, um die therapeutischen Möglichkeiten für einen Erhalt der Remission zu verbessern.1,2 Eine Erhaltungstherapie zielt darauf ab, den krankheitsfreien Zustand nach einem erzielten Behandlungserfolg möglichst lange und dauerhaft zu bewahren und ein erneutes Auftreten der AML-Erkrankung zu verhindern. Dieser Ansatz stellt in Deutschland derzeit aufgrund fehlender Zulassungen allerdings noch kein Standardvorgehen dar. Deshalb enthalten z. B. die aktuellen Behandlungsleitlinien, außer für Betroffene, die eine bestimmte FLT3-Mutation aufweisen, zum jetzigen Zeitpunkt auch keine klare Empfehlung hinsichtlich einer Erhaltungstherapie bei einer AML.1
Auch darüber hinaus wird intensiv daran geforscht, die AML noch besser zu verstehen und genauer einteilen zu können sowie neue zielgerichtete Therapiestrategien zu entwickeln, die z. B. bei bestimmten Mutationen wirksam sein können. So wird die Wirkung und Verträglichkeit neuer Medikamente und Behandlungsansätze – dazu gehört auch die Kombination verschiedener neuer sowie bekannter Wirkstoffe – derzeit in klinischen Studien untersucht.
Die Transplantation von Stammzellen eines gesunden Spenders bzw. einer gesunden Spenderin (allogene
hämatopoetische
Stammzelltransplantation, Allo-HSCT) ist die derzeit einzige Therapieform, mit der möglicherweise eine Heilung von einer AML erreicht werden kann. Diese ist allerdings mit erheblichen Risiken verbunden und kommt daher meist nur für jüngere Patientinnen und Patienten mit einem guten Allgemeinzustand und nach sorgfältiger Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses infrage.2 Voraussetzung für eine Stammzelltransplantation ist die Verfügbarkeit geeigneter Spenderinnen und Spender, deren Knochenmark bestimmte Gewebemerkmale – Humane Leukozytenantigen (HLA)
-Strukturen – aufweist, die optimal mit dem Knochenmark des Betroffenen übereinstimmen. Je geringer die Übereinstimmung der Gewebemerkmale, desto größer ist die Gefahr von Abstoßungsreaktionen. Die beste Chance auf eine ausreichende Übereinstimmung dieser HLA-Strukturen besteht zwischen engen Verwandten wie zum Beispiel Geschwistern.1,2
Ablauf der Stammzelltransplantation
Wenn eine passende Spenderin oder ein passender Spender gefunden wurde, werden die Betroffenen mit einer speziellen Chemotherapie auf die Transplantation vorbereitet (konditioniert). Dabei wird das blutbildende System der Patientinnen und Patienten und damit alle vorhandenen Tumorzellen zerstört. Die Chemotherapie kann auch durch eine Ganzkörperbestrahlung intensiviert werden. Anschließend werden dem Betroffenen die Stammzellen der spendenden Person per Transfusion übertragen. Wenn sich die Stammzellen im Knochenmark der Empfänger und Empfängerinnen angesiedelt haben, beginnen sie mit der Blutzellbildung. Um Komplikationen wie die Graft-versus-Host-Disease (die Stammzellen erkennen die empfangende Person als fremd und greifen deren Körperzellen an) zu vermeiden oder abzumildern, bekommen Betroffene Medikamente, die das Immunsystem für eine gewisse Zeit unterdrücken (Immunsuppressiva).
Bei einer Chemotherapie werden Medikamente (Zytostatika) verabreicht, die die Zellteilung und damit auch das Wachstum von unreifen Vorläuferzellen (Blasten) im gesamten Körper hemmen. Um eine möglichst gute Wirkung zu erreichen und dabei Nebenwirkungen gering zu halten, werden häufig Kombinationen verschiedener Zytostatika angewendet.1,2
Die Chemotherapie lässt sich in zwei Phasen teilen:
Nach jedem Zyklus folgt eine Behandlungspause, die abhängig vom Behandlungsprotokoll unterschiedlich lang (in der Regel zwischen einigen Tagen und mehreren Wochen) sein kann. Intensive Chemotherapien werden bei geeigneten Patientinnen und Patienten in Vorbereitung auf eine nachfolgende allogene Stammzelltransplantation nach sorgfältiger Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses angewendet.1,2
Eine Chemotherapie kann sich jedoch auch auf die gesunden Zellen auswirken und daher mit verschiedenen Nebenwirkungen verbunden sein. Diese betreffen vor allem schnell wachsende Zellen, wie zum Beispiel die Schleimhautzellen im Mund und im Magen-Darm-Trakt, die Haarwurzelzellen oder die Zellen des blutbildenden Systems. Typische Folgen einer Chemotherapie sind beispielsweise Haarausfall, Übelkeit und Erbrechen, Durchfall, Blutarmut (Anämie), Erschöpfung, Entzündungen und Infektionen im Mundraum, Abwehrschwäche sowie erhöhte Infektanfälligkeit, Nervenschäden und
Auch wenn die Erkrankung zunächst erfolgreich zurückgedrängt wurde, kann es sowohl im Verlauf der Behandlung als auch nach Abschluss der Chemotherapie zu einem Krankheitsrückfall (Rezidiv) kommen. In den meisten Fällen wird dann erneut eine intensive Chemotherapie durchgeführt, um eine weitere Remission zu erreichen. Bei frühen Rezidiven (einige Wochen nach Therapiebeginn) oder wenn Betroffene auf die Therapie nicht ansprechen, kann ein Einschluss in eine klinische Studie (mit neuen Wirkstoffen) infrage kommen. Bei späten Rückfällen (einige Monate bis Jahre nach Ende der ersten Therapie) kann die Induktionstherapie wiederholt werden, um erneut eine komplette Remission zu erreichen. Häufig wird dann versucht, eine (erneute) allogene Stammzelltransplantation durchzuführen.1,2
Bei AML kann es dazu kommen, dass sich sog. Methylgruppen (chemische Komplexe) verstärkt an das Erbgut (DNA) der Blutzellen anlagern. Verantwortlich für diesen Vorgang ist das Enzym „DNA-Methyltransferase“. Durch die Anlagerung von Methylgruppen an die DNA können u. a. auch Gene abgeschaltet werden, die für die Bildung und Ausreifung gesunder Blutzellen oder für die Unterdrückung von Tumorzellen von großer Bedeutung sind. Hypomethylierende Substanzen (auch hypomethylierende Agenzien, HMA) können diesen Vorgang blockieren. Diese Substanzen „imitieren“ gewisse Bestandteile der DNA, werden ins Erbgut eingebaut, bieten jedoch keine Bindungsstelle für die DNA-Methyltransferase. So wird verhindert, dass bestimmte Gene, die zur überschießenden Zellproliferation beitragen und so die Tumorentstehung begünstigen können, „abgeschaltet“ (methyliert) werden. HMAs können zudem bereits „abgeschaltete“ Gene wieder aktivieren und somit die reguläre Blutbildung (Hämatopoese) unterstützen. Insbesondere Patientinnen und Patienten, die aufgrund ihrer körperlichen Verfassung keine intensive Chemotherapie erhalten können und auch nicht für eine Stammzelltransplantation geeignet sind, kommen für eine Behandlung mit HMAs infrage.1
Sofern Betroffene weder für eine intensive Therapiemöglichkeit noch hypomethylierende Substanzen (HMA) infrage kommen oder die Erkrankung trotz Behandlung weiterhin schnell voranschreitet, kann eine niedrigdosierte Chemotherapie zum Einsatz kommen.
Unter Supportivtherapie werden unterstützende Behandlungsmaßnahmen zusammengefasst. Beschwerden und therapiebedingte Nebenwirkungen sollen gemildert bzw. ihnen vorgebeugt werden.
Transfusionen mit roten Blutkörperchen (Erythrozytenkonzentraten) können zur Behandlung der Anämie infolge der AML-Erkrankung eingesetzt werden. Damit können die Anämie-bedingten Symptome behandelt sowie der Gesundheitszustand kurzfristig verbessert werden. Wie häufig eine Transfusion benötigt wird, ist patientenindividuell und hängt vom Schweregrad der Blutarmut sowie dem klinischen Zustand der Betroffenen ab. Über die regelmäßigen Transfusionen wird dem Körper auch das in den Blutkörperchen enthaltene Eisen zugeführt, was die Gefahr einer Eisenüberladung
mit sich bringt. Das macht häufig eine begleitende Therapie mit bestimmten Medikamenten, die das Ausscheiden von Eisen fördern, notwendig. Zudem kann infolge der Transfusionen ein erhöhtes Risiko für zum Teil schwere Komplikationen wie Infektionen sowie immunvermittelte Reaktionen bestehen.3,4
Sofern bei Patientinnen und Patienten ein Mangel an Blutplättchen (Thrombozyten) vorliegt, kommen Transfusionen mit sog. Thrombozytenkonzentraten infrage. Bei einer verminderten Anzahl an weißen Blutkörperchen (Leukozyten
) kann die Gabe von Antibiotika helfen, potenziellen Infektionen vorzubeugen oder diese zu behandeln. In diesem Zusammenhang kann auch eine Pneumokokken-
und Grippeschutzimpfung sinnvoll sein. Grundsätzlich gilt, dass viele Begleiterkrankungen der AML mithilfe einer unterstützenden Therapie verhindert oder abgeschwächt werden können.2