Für die Behandlung von MDS stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Dabei kann sowohl eine einzelne Therapie als auch eine Kombination aus mehreren Behandlungsansätzen zum Einsatz kommen. In die Therapieplanung fließen nicht nur die WHO-Klassifikation und die jeweilige Überlebensprognose ein, sondern auch die individuellen Wünsche der Betroffenen sowie Faktoren wie das Alter, der körperliche Allgemeinzustand, Begleit- und Vorerkrankungen sowie potenzielle Nebenwirkungen bestimmter Behandlungsoptionen spielen eine Rolle.1,2
Bei wenigen Patientinnen und Patienten mit Niedrigrisiko-MDS, deren Erkrankung sehr langsam voranschreitet und bei denen kaum oder gar keine Symptome auftreten, kann eine „watch and wait“-Strategie ausreichen. Dabei erhalten die Betroffenen keine medikamentöse Therapie, werden jedoch engmaschig auf mögliche Krankheitsanzeichen untersucht. Ein Großteil der Patientinnen und Patienten mit MDS benötigt jedoch eine Therapie – beispielsweise zur Behandlung einer Blutarmut (Anämie). Diese zielt in der Regel darauf ab, die durch die Anämie hervorgerufenen Beschwerden zu lindern, die Lebensqualität zu verbessern und die Leistungsfähigkeit sowie die alltägliche Unabhängigkeit der Betroffenen zu bewahren. Bei Hochrisiko-MDS kann die Gefahr bestehen, dass die Erkrankung in eine lebensbedrohliche Akute Myeloische Leukämie (AML) übergeht. Daher ist die Behandlung für entsprechende Patientinnen und Patienten darauf ausgerichtet, das schnelle Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten und somit die Lebenszeit zu verlängern.1,2
Unter Supportivtherapie werden unterstützende Behandlungsmaßnahmen zusammengefasst. Beschwerden und therapiebedingte Nebenwirkungen sollen gemildert bzw. ihnen vorgebeugt werden.
Transfusionen mit roten Blutkörperchen (Erythrozytenkonzentraten) können zur Behandlung der Anämie infolge der MDS-Erkrankung eingesetzt werden. Damit können die einhergehenden Symptome behandelt sowie der Gesundheitszustand kurzfristig verbessert werden. Wie häufig eine Transfusion benötigt wird, ist patientenindividuell und hängt vom Schweregrad der Blutarmut sowie dem klinischen Zustand der Betroffenen ab. Im Einzelfall können die Transfusionen beispielsweise monatlich oder sogar wöchentlich notwendig sein – bei besonders schweren Formen meist ein Leben lang. Über die regelmäßigen Transfusionen wird dem Körper auch das in den Blutkörperchen enthaltene Eisen zugeführt, was die Gefahr einer Eisenüberladung mit sich bringt. Das macht häufig eine begleitende Therapie mit bestimmten Medikamenten, die das Ausscheiden von Eisen fördern, notwendig. Zudem kann infolge der Transfusionen ein erhöhtes Risiko für zum Teil schwere Komplikationen wie Infektionen sowie immunvermittelte Reaktionen bestehen.2,3 Inzwischen gibt es medikamentöse Therapieansätze, die das Potenzial haben, die Transfusionslast der Betroffenen zu reduzieren oder sogar eine Transfusionsfreiheit zu erreichen.2
Sofern bei Patientinnen und Patienten ein Mangel an Blutplättchen (Thrombozyten ) vorliegt, kommen wiederum Transfusionen mit sog. Thrombozytenkonzentraten infrage. Bei einer verminderten Anzahl weißer Blutkörperchen (Leukozyten
) kann die Gabe von Antibiotika helfen, potenziellen Infektionen vorzubeugen oder diese zu behandeln. In diesem Zusammenhang kann auch eine Pneumokokken-
und Grippeschutzimpfung sinnvoll sein.2
Bei bestimmten Formen der MDS-Erkrankung können sogenannte Immunmodulatoren eingesetzt werden. Insbesondere Patientinnen mit Niedrigrisiko-MDS und einem bestimmten isolierten Gendefekt (del5q) kommen für den Einsatz dieser Wirkstoffe infrage. Immunmodulatoren sind Substanzen, die sich positiv auf die Immunabwehr des Körpers auswirken: Sie regulieren das Immunsystem derart, dass sich die Bedingungen für die gesunden Blutstammzellen und ihre Umgebung verbessern können. So wird beispielsweise die Produktion bestimmter, entzündungsfördernder Proteine (Zytokine) unterdrückt. Darüber hinaus können Immunmodulatoren unreife Blutstammzellen dazu stimulieren, zu gesunden Blutzellen heranzureifen.2
Die Anämie bei MDS-Erkrankten ist die Folge einer gestörten Bildung roter Blutkörperchen (Erythrozyten ). Diese wird durch verschiedene Faktoren reguliert (z. B. über das Hormon Erythropoetin oder Proteine, die TGF-beta Liganden genannt werden). Im Fall von MDS ist häufig die körpereigene Produktion dieser Faktoren aus dem Gleichgewicht geraten, wodurch die Bildung roter Blutkörperchen gestört ist. In manchen Fällen lässt sich das Gleichgewicht in der Blutbildung mittels Erythrozyten-stimulierender Agenzien (z. B. Erythropoetin) wiederherstellen.2
Für bestimmte Patientinnen und Patienten, die auf Erythrozyten-stimulierende Agenzien (ESA) nicht zufriedenstellend angesprochen haben oder dafür nicht geeignet sind, kann eine Behandlung mit einem Erythrozyten-Reifungs-Aktivator (ERA) infrage kommen. Dieser unterscheidet sich in seiner Wirkweise von ESA, indem er in die späte Phase der Blutbildung eingreift und dabei die Ausreifung funktionstüchtiger roter Blutkörperchen fördert.2
Bei MDS kann es dazu kommen, dass sich sog. Methylgruppen (chemische Komplexe) verstärkt an das Erbgut (DNA) der Blutzellen anlagern. Verantwortlich für diesen Vorgang ist das Enzym „DNA-Methyltransferase“. Durch die Anlagerung der Methylgruppen an die DNA werden Gene abgeschaltet, die zum Beispiel für die Bildung gesunder Blutzellen und die Unterdrückung von Tumorzellen große Bedeutung haben. Hypomethylierende Substanzen (auch hypomethylierende Agenzien, HMA) können diesen Vorgang blockieren. Diese Substanzen ähneln gewissen Bestandteilen der DNA und werden deshalb ins Erbgut eingebaut. Dadurch kann die DNA-Methyltransferase nicht mehr normal arbeiten und es wird verhindert, dass bestimmte Gene „abgeschaltet“ (methyliert) werden. HMAs können zudem bereits „abgeschaltete“ Gene wieder aktivieren und somit die reguläre Blutbildung (Hämatopoese) unterstützen. Die Behandlung mit HMAs wird nur bei Hochrisiko-MDS angewendet. Insbesondere Patientinnen und Patienten, die aufgrund ihrer körperlichen Verfassung keine intensive Chemotherapie machen können und auch nicht für eine Stammzelltransplantation geeignet sind, kommen für eine Behandlung mit HMAs infrage.2
Bei einer Chemotherapie werden Medikamente (Zytostatika) verabreicht, die die Zellteilung und damit auch das Wachstum von Krebszellen im gesamten Körper hemmen. Um eine möglichst gute Wirkung gegen die Tumorzellen zu erreichen und dabei Nebenwirkungen gering zu halten, werden häufig Kombinationen verschiedener Zytostatika angewendet. Nicht-intensive Chemotherapien kommen bei MDS in der Regel nur noch zum Einsatz, wenn andere Therapieoptionen ausgeschöpft sind oder Betroffene für diese nicht infrage kommen. Intensive Chemotherapien werden im Einzelfall in Vorbereitung auf eine nachfolgende allogene Stammzelltransplantation nach sorgfältiger Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses angewendet.2 Auch für Betroffene, die nicht für eine Stammzelltransplantation geeignet sind und die ≥ 10% Blasten im Knochenmark aufweisen, kann die Chemotherapie eine potenzielle Therapieoption darstellen.2
Die Transplantation von Stammzellen eines gesunden Spenders (allogene Stammzelltransplantation, Allo-HSCT) ist die derzeit einzige Therapieform, mit der möglicherweise eine Heilung von MDS erreicht werden kann. Diese ist allerdings mit erheblichen Risiken verbunden und kommt daher meist nur für jüngere Patientinnen und Patienten mit einem guten Allgemeinzustand und Hochrisiko-MDS nach sorgfältiger Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses infrage.2 Voraussetzung für eine Stammzelltransplantation ist die Verfügbarkeit geeigneter Spenderinnen und Spender, deren Knochenmark bestimmte Gewebemerkmale (HLA-Strukturen
) aufweist, die optimal mit dem Knochenmark des Betroffenen übereinstimmen. Je geringer die Übereinstimmung der Gewebemerkmale, desto größer ist die Gefahr von Abstoßungsreaktionen. Die beste Chance auf eine ausreichende Übereinstimmung dieser HLA-Strukturen besteht zwischen engen Verwandten wie zum Beispiel Geschwistern.2
Ablauf der Stammzelltransplantation
Wenn eine passende Spenderin oder ein passender Spender gefunden wurde, werden die Betroffenen mit einer speziellen Chemotherapie auf die Transplantation vorbereitet (konditioniert). Dabei wird das blutbildende System der Patientinnen und Patienten und damit alle vorhandenen Tumorzellen zerstört. Die Chemotherapie kann zudem durch eine Ganzkörperbestrahlung ergänzt werden. Anschließend werden dem Betroffenen die Stammzellen der spendenden Person per Transfusion übertragen. Wenn sich die Stammzellen im Knochenmark der Patientinnen und Patienten angesiedelt haben, beginnen sie mit der Blutproduktion. Um Komplikationen wie die Graft-versus-Host-Disease (die Stammzellen erkennen die empfangende Person als fremd und greifen dessen Körperzellen an) zu vermeiden oder abzumildern, bekommen Betroffene Medikamente, die das Immunsystem für eine gewisse Zeit unterdrücken (Immunsuppressiva). Wenngleich die Stammzelltransplantation in der Regel den Patientinnen und Patienten mit Hochrisiko-MDS vorbehalten ist, kann die Therapieoption auch bei Betroffenen mit niedrigem Krankheitsrisiko in Betracht gezogen werden, sofern diese in einem guten klinischen Zustand sind sowie eine Hochrisiko-Zytogenetik und/oder Panzytopenie aufweisen.2