Das Multiple Myelom, nach dem Erstbeschreiber auch
Morbus Kahler genannt, ist eine bösartige Vermehrung von klonalen
Plasmazellen im Knochenmark.1
In Deutschland erkrankten im Jahr 2016 circa 3.000 Frauen und 3.900 Männer neu an einem Multiplen Myelom. Das Multiple Myelom ist die zweithäufigste hämatologische maligne Erkrankung in den westlichen Industriestaaten.3 Im Vergleich zu anderen Tumorarten wie Brustkrebs, Darmkrebs oder Lungenkrebs ist das Multiple Myelom demnach eine eher seltene Erkrankung. Wie viele andere Krebsarten auch, tritt das Multiple Myelom häufiger bei älteren Menschen auf: 75 Prozent aller Myelom-Patienten sind bei Diagnosestellung älter als 60 Jahre.2,3,4
Die Erkrankung wird formal den Lymphomen, also bösartigen Erkrankungen des lymphatischen Systems (= Lymphdrüsenkrebs), zugeordnet, obwohl ein Befall von Lymphknoten nur selten zu beobachten ist.
Im Folgenden werden Aufbau und Funktion des gesunden lymphatischen Systems näher erläutert.
Das lymphatische System ist kein einzelnes Organ, sondern ein komplexes Netzwerk, das aus lymphatischen Organen und Lymphbahnen besteht und im ganzen Körper verteilt ist.
Das lymphatische System steht im engen Zusammenhang mit unserem körpereigenen Abwehrsystem (Immunsystem) und dem blutbildenden System im Knochenmark. Das Knochenmark ist ein in größeren Knochen enthaltenes Binde- und Stammzellgewebe, in dem die Blutzellen, also rote (Erythrozyten
) und weiße (Leukozyten
) Blutkörperchen sowie Blutplättchen (Thrombozyten
), gebildet werden.
Die wichtigsten Zellen des lymphatischen Systems sind die Lymphozyten, die zur Gruppe der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) gehören. Die Lymphozyten übernehmen eine zentrale Funktion bei der körpereigenen Abwehr, denn sie können Krankheitserreger erkennen und beseitigen.
Man unterscheidet zwei große Gruppen von Lymphozyten, die T- Lymphozyten und die genannt –, die beide aus Blutstammzellen im Knochenmark gebildet werden.
T-Zellen können Krankheitserreger direkt zerstören. B-Zellen
reifen zu Plasmazellen heran, wenn sie Kontakt mit fremden Stoffen, so genannten Antigenen, haben. Dazu gehören vor allem von außen in den Körper eingedrungene Krankheitserreger.
Plasmazellen wiederum bilden sogenannte Antikörper, medizinisch auch Immunglobuline (Ig) genannt. Diese Antikörper werden ins Blut abgegeben, verbinden sich mit den Krankheitserregern und leiten durch diese Bindung die Zerstörung bzw. den Abbau der Krankheitserreger ein.
Jede einzelne Plasmazelle produziert dabei nur einen Typ Antikörper, der in seiner Struktur völlig identisch ist. Man spricht daher von einem monoklonalen Antikörper, also von einem einzigen Zell-Typ (= Klon) abstammend.
Das Multiple Myelom entsteht durch die bösartige Veränderung einer einzigen Plasmazelle im Knochenmark, der sogenannten Myelomzelle.1,3 Die Myelomzelle teilt und vermehrt sich unkontrolliert, wodurch im Krankheitsverlauf bösartige Wucherungen im Knochenmark entstehen, welche man Myelom nennt.1,3 Weil diese an vielen (multiplen) Stellen im Knochenmark auftreten können, wird die Erkrankung als Multiples Myelom bezeichnet.
Ist bei einem Patienten nur ein Krankheitsherd vorhanden, nennt man dies solitäres (= einzelnes) Plasmozytom
. 1,3
Werden monoklonale
Myelomzell-Herde außerhalb des Knochenmarks nachgewiesen, spricht man von einer extra-medullären (medullär: das Knochenmark betreffend) Erkrankung.3
Die sich unkontrolliert vermehrenden Myelomzellen produzieren große Mengen an Eiweißstoffen (Proteine), die den echten Antikörpern zwar ähnlich, jedoch für die körpereigene Abwehr funktionslos sind. 1,3 Diese Eiweißstoffe nennt man
Paraproteine. In machen Fällen werden nicht die ganzen Eiweißstoffe, sondern nur ein Teil – die sogenannten „leichten Ketten“ – im Übermaß produziert. Man spricht dann von einem Leichtketten-Myelom.
Alle Tochterzellen, die aus dieser einzigen entarteten Plasmazelle entstehen, sind genetisch identisch (=monoklonal), und sie bilden alle im Übermaß den gleichen Eiweißstoff. 1,3 Unbehandelt können alle diese Veränderungen zu den vielfältigen Symptomen bei Patienten mit Multiplen Myelom führen. 1,3
Die Myelomzellen bilden verschiedene Substanzen, die zu Knochenauflösungen und einem verstärkten Knochenabbau (Osteoporose) führen.3 Der Knochen wird insgesamt instabil, und die Gefahr von Knochenbrüchen steigt.
Zudem werden durch den vermehrten Knochenabbau große Mengen an Kalzium ins Blut geschwemmt. Diese sogenannte Hyperkalziämie schädigt die Nieren und ist ein wesentlicher Grund für ein Nierenversagen bei Patienten mit Multiplem Myelom.
Die unkontrollierte Vermehrung der Myelomzellen im Knochenmark führt dazu, dass andere, gesunde blutbildende Zellen wie rote Blutkörperchen dort verdrängt werden.3
Durch zu wenige rote Blutkörperchen (Erythrozyten) entwickelt sich eine Blutarmut (Anämie
). Durch zu wenige weiße Blutkörperchen (Leukozyten
), die wichtig für die körpereigene Abwehr sind, kommt es zur Abwehrschwäche und häufigen Infekten.
Die übermäßig produzierten krankhaften Eiweißstoffe (Paraproteine) können zudem das Blut dickflüssiger machen, die Folge sind Durchblutungsstörungen in den Organen. Der Mediziner spricht dann von einem
Hyperviskositäts-Syndrom
.
Die von den Myelomzellen übermäßig produzierten krankhaften Eiweißstoffe (Paraproteine) können das Filtersystem der Nieren verstopfen.3
Zudem werden durch den vermehrten Knochenabbau große Mengen an Kalzium ins Blut geschwemmt. Diese so genannte Hyperkalziämie schädigt die Nieren zusätzlich und ist ein wesentlicher Grund für ein Nierenversagen bei Patienten mit Multiplem Myelom.
In manchen Fällen werden die von den Myelomzellen gebildeten Teile der Eiweißstoffe (Leichtketten) auch in verschiedenen Organen, Gefäßen oder Nerven abgelagert; der Mediziner spricht von einer so genannten Amyloidose . Die Ablagerungen können die Funktion der Organe beeinträchtigen, indem sie Organvergrößerungen, Entzündungen (z. B. am Herzen) oder Nervenschäden verursachen.