Steht die Diagnose „Multiples Myelom“ zweifelsfrei fest, sollten in einem ausführlichen Arzt-Patienten-Gespräch das genaue Ergebnis der Untersuchungen, die Behandlungsmöglichkeiten und die individuelle Prognose besprochen werden. Grundsätzlich gilt: Nicht jeder Patient mit einem Multiplen Myelom muss sofort behandelt werden.1,2,3
Die internationale Myelom-Arbeitsgruppe hat Vorschläge erarbeitet, ab wann eine Behandlung erforderlich ist und benutzt dafür die sogenannten CRAB-Kriterien.1,2,3
Diese vier Buchstaben leiten sich aus englischen Begriffen ab:
Bei den meisten Patienten empfehlen die Ärzte den Beginn einer Behandlung, wenn eines dieser Krankheitszeichen auftritt.
Weitere Gründe für eine Behandlung sind unter anderem:
In frühen Stadien, wenn das Multiple Myelom noch keine Krankheitszeichen oder Komplikationen verursacht, ist eine spezifische Therapie vorerst nicht notwendig. Die Patienten werden lediglich engmaschig kontrolliert, also in regelmäßigen Abständen untersucht.
Die Therapie des Multiplen Myeloms hat sich in den vergangenen Jahren enorm weiterentwickelt. Heute können der krankheitsfreie Zeitraum (Remission) und das Überleben bei guter Lebensqualität deutlich verlängert werden, auch wenn die Erkrankung nach wie vor nur in seltenen Fällen heilbar ist.
Die Behandlungsmöglichkeiten umfassen aktuell1,2,3
Operationen sind geeignet, wenn die Stabilität von Wirbelkörpern sichergestellt werden muss.
Welche Therapie in Frage kommt, legt der Arzt individuell zusammen mit dem Patienten fest. Die Auswahl ist abhängig vom Krankheitsstadium, dem Alter und dem Allgemeinzustand des Patienten.
Bei einer Chemotherapie werden Medikamente (Zytostatika) gegeben, die die Zellteilung und damit auch das Wachstum von Krebszellen im ganzen Körper hemmen. Man spricht daher auch von einer systemischen Behandlung, die über den Blutkreislauf alle Krebszellen im gesamten Körper erreichen soll.
Um die größtmögliche Wirkung gegen die Tumorzellen zu erzielen und um Nebenwirkungen zu reduzieren, werden häufig Kombinationen verschiedenartig wirkender Zytostatika eingesetzt.
Die verschiedenen Zytostatika wirken auf unterschiedliche Weise und werden meist intravenös
, also als Infusion über die Vene, verabreicht. Dafür erhält der Patient in der Regel einen Port
, der unter örtlicher Betäubung unter die Haut eingesetzt wird.4 Der Port
ist eine kleine Kammer mit einem dünnen Schlauch, der in eine herznahe Vene mündet. Mit einer Spezialnadel können die Zytostatika über den Port
gegeben werden, ohne jedes Mal neu nach einer geeigneten Vene suchen zu müssen. Die Venen können besser geschützt werden. Baden oder Duschen und Schwimmen sind auch mit einem Port
problemlos möglich.
Um möglichst alle Krebszellen im Körper zu zerstören, wird die Chemotherapie in bestimmten Zeitabständen mehrmals wiederholt. Man spricht von sogenannten Therapiezyklen. Nach einem gewissen Zeitraum ohne Behandlung
Beim Vorliegen eines behandlungsbedürftigen Multiplen Myeloms wird in der Regel eine Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender Rückgabe von zuvor gewonnenen eigenen (autologen) Blutstammzellen des Patienten angestrebt.1,2,3 Diese Therapie nennt man Hochdosis-Chemotherapie mit autologer
Stammzelltransplantation (SZT
) und gilt heute als Standardbehandlung des Multiplen Myeloms, da sie bei vielen Patienten zu einer deutlichen Verlängerung der Überlebenszeit führen kann.1,2,3
Dabei wird eine hochdosierte Chemotherapie gegeben, die sehr wirksam die Myelomzellen zerstört, wodurch oftmals eine langfristige Krankheitskontrolle erreicht werden
Allerdings kann diese intensive Behandlung nicht spezifisch nur die Myelomzellen bekämpfen, sondern schädigt auch die gesunden blutbildenden Zellen im Knochenmark. Werden keine weißen Blutkörperchen (Leukozyten) mehr gebildet, die für die körpereigene Abwehr wichtig sind, sind die Patienten sehr anfällig für Infektionen.
Um dies zu vermeiden, werden Patienten vor der hochdosierten Chemotherapie eigene Blutstammzellen entnommen, die sie nach Abschluss der hochdosierten Chemotherapie wieder zurück erhalten.1,2,3 Diese Stammzellen gelangen über den Blutkreislauf in das Knochenmark, wo sie neue, gesunde Blutzellen bilden können. Damit wird die Infektionsgefahr deutlich geringer.
Die Blutstammzellen für die Transplantation werden heute meist aus dem Blut, wie bei einer normalen Blutabnahme, und nicht mehr aus dem Knochenmark entnommen. Dadurch ist die Entnahme deutlich angenehmer für die Patienten.
Die Hochdosis-Chemotherapie mit nachfolgender Blutstammzelltransplantation ist ein sehr intensives Behandlungsverfahren, das einen guten Allgemeinzustand der Patienten voraussetzt. Eine obere Altersgrenze gibt es für diese Behandlungsform zwar nicht,3 wichtige Kriterien sind jedoch das biologische Alter mit guten Organfunktionen und dass der Patient nicht an weiteren relevanten Begleiterkrankungen leidet.
In den letzten Jahren haben sich die Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit Multiplem Myelom deutlich verbessert.1,2,3
Einen wesentlichen Anteil daran hat die Entwicklung und Einführung neuer Medikamente wie Proteasom-Inhibitoren und Immunmodulatoren, die heute fester Bestandteil der Therapie des Multiplen Myeloms sind. Weitere neue Behandlungsformen wie die Immunonkologische Therapie werden intensiv erforscht.
Proteasom-Hemmer (Inhibitoren) sind eine neue Gruppe von Krebsmedikamenten.3
Die sogenannten Proteasomen sind in allen Zellen vorhanden und spielen eine wichtige Rolle beim Abbau von Proteinen, zum Beispiel während des Zellzyklus, welcher wiederum für das Wachstum von Zellen wichtig ist.
Proteasom-Hemmer (Inhibitoren) stören diese normale Funktion der Zellproteasomen reversibel und bewirken, dass die Myelomzellen nicht mehr wachsen und schließlich absterben.4
Immunmodulatoren, englisch „Immunomodulatory drugs“ genannt und entsprechend „IMiDs
“ abgekürzt, sind Medikamente, die unter anderem das Immunsystem
beeinflussen. Sie haben sich als sehr wirksam bei der Behandlung von Patienten mit Multiplem Myelom erwiesen.3
Die Wirkmechanismen dieser Medikamente sind vielfältig und bis heute noch nicht vollständig aufgeklärt. Fest steht, dass sie bestimmte Wachstumssignale und/oder Stoffwechselprozesse in der Myelomzelle blockieren und gleichzeitig das Immunsystem der Patienten aktivieren.
Zugleich hemmen diese Medikamente die Neubildung von Blutgefäßen:
5 Wie jede gesunde Zelle brauchen auch Myelom-Zellen Sauerstoff und Nährstoffe, um zu wachsen und sich zu vermehren. Ab einer gewissen Größe bilden Tumoren neue Blutgefäße, was man Angiogenese nennt.
Außerdem wurde beobachtet, dass bestimmte Myelomzellen durch diese Medikamente veranlasst werden, sich selbst zu zerstören (Apoptose).5
Histon-Deacetylase(HDAC)-Inhibitoren (Hemmer) sind ebenfalls eine neue Gruppe von Krebsmedikamenten. Sie verlangsamen die Zellteilung und damit die Überproduktion der Plasmazellen. In Kombination mit einem Proteasom-Inhibitor führt dies dazu, dass die Myelomzellen sich selbst zerstören (Apoptose).6
Sogenannte Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (antibody drug conjugates, ADC) stellen einen zielgerichteten Behandlungsansatz dar und setzen sich aus drei Komponenten zusammen. ADCs bestehen einerseits aus einem monoklonalen Antikörper, der gezielt an die Oberflächenstruktur (Rezeptor) der Tumorzellen bindet und die Signale für deren Vermehrung unterbricht. Zudem enthalten ADCs einen chemischen Wirkstoff, welcher mit dem Antikörper zur Krebszelle gelangt und deren Tod auslöst. Bei der dritten Komponente handelt es sich um den sogenannten „Linker“ - eine Substanz, die die beiden anderen Bestandteile miteinander verbindet und dafür sorgt, dass der Wirkstoff erst dann freigesetzt wird, wenn die Tumorzelle erreicht ist. Die Behandlung mit ADCs ist aktuell nur für Patienten zugelassen, die mindestens vier Therapien erhalten und deren Erkrankung refraktär gegenüber mindestens einem Proteasom-Inhibitor, einem Immunmodulator, einem monoklonalen Antikörper ist sowie unter der letzten Behandlung fortgeschritten ist.
Fortschritte beim Verständnis des Immunsystems haben zu einem neuen Ansatz in der Krebstherapie geführt. Die Immunonkologie basiert auf dem Prinzip, dass das Immunsystem eines der stärksten und wirkungsvollsten Instrumente des Körpers zur Erkennung und Bekämpfung von Erkrankungen ist.
Bei Patienten mit Multiplem Myelom verschlechtert sich die Immunantwort im Krankheitsverlauf, die Reaktion des Immunsystems ist dann nicht mehr effektiv. Das betrifft auch die Natürlichen Killerzellen, die darauf spezialisiert sind, Körperzellen zu erkennen und zu zerstören, deren Oberfläche durch einen Krankheitserreger verändert ist.8 Um das Immunsystem wieder gegen die bösartigen Zellen zu richten, werden zur Behandlung des Multiplen Myeloms sogenannte immunaktivierende Antikörper eingesetzt. Diese Antikörper können zum Beispiel direkt an Natürliche Killerzellen binden und diese aktivieren, gleichzeitig werden auch Myelomzellen als Zielzellen markiert. Dadurch erkennen die Natürlichen Killerzellen diese wieder als bösartig und können sie zerstören.9 Für Patienten mit Multiplem Myelom stehen sie bereits als eine Therapieoption zur Verfügung.
Hier mehr über die Immunonkologie erfahren.
Eine innovative und personalisierte Form der Immuntherapie ist die CAR-T-Zelltherapie. Auch hier wird das Immunsystem mobilisiert und in die Lage versetzt, Krebszellen besser zu erkennen und zu bekämpfen. Im Mittelpunkt stehen dabei die T-Zellen der Patientinnen und Patienten, die gentechnisch verändert und mit einem sogenannten chimären Antigenrezeptor (chimeric antigen receptor, CAR) ausgestattet werden. Die neu gebildeten CAR-T-Zellen sind anschließend in der Lage, zielgerichtet an die Tumorzellen zu binden und deren Zerstörung einzuleiten.10,11
Bei der Behandlung des Multiplen Myeloms wurde insbesondere ein bestimmtes Oberflächenprotein, das sogenannte B-Zell-Reifungsantigen (BCMA), als geeignetes Ziel für die CAR-T-Zellen identifiziert. Das BCMA hat eine Schlüsselfunktion bei der Reifung und Differenzierung von B-Zellen inne. Es findet sich auf bösartigen Myelomzellen, deren Wachstum es fördert, und auf normalen Plasmazellen. Die BCMA-Expression, also vereinfacht gesagt die Bildung und Ausgestaltung dieses Proteins auf der Oberfläche der Tumorzelle, nimmt mit Fortschreiten der Erkrankung immer weiter zu. Daher stellt das Antigen ein effektives Ziel der Zelltherapie dar.12,13
Die CAR-T-Zelltherapie kann für Patientinnen und Patienten mit wiederkehrendem Multiplen Myelom infrage kommen, bei denen drei oder mehr vorangegangene Therapien mit unterschiedlichen Wirkstoffen eingesetzt wurden und unter der letzten Behandlung ein Fortschreiten der Erkrankung aufgetreten ist.12,13
Hier mehr über die CAR-T-Zelltherapie erfahren.