Die Therapie der Myelofibrose richtet sich nach der Symptomatik, möglichen Begleiterkrankungen, der individuellen Risikoprognose sowie dem persönlichen Wunsch der Patientinnen und Patienten.
Sofern im frühen Stadium der Erkrankung zunächst weder Symptome noch eine vergrößerte Milz oder auffällige Blutwerte zu beobachten sind, kann zunächst eine „Watch and Wait“-Strategie ausreichend sein. Dabei erhalten die Betroffenen keine medikamentöse Therapie, werden jedoch engmaschig auf mögliche Krankheitsanzeichen untersucht und bei auftretenden Beschwerden oder Voranschreiten der Erkrankung entsprechend aktiv behandelt. Im weiteren Verlauf können die krankheitsbedingten Symptome sehr schwerwiegend sein und häufig eine Therapie notwendig machen.1,2
Die einzige Therapie mit potenzieller Chance auf Heilung ist die allogene Stammzelltransplantation, die in der Regel nur bei wenigen, körperlich fitten Patienten unter ca. 70 Jahren mit ungünstiger Prognose (Intermediär Risiko-2 und Hochrisiko) und nach sorgfältiger Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses infrage kommt.1 Voraussetzung für eine Stammzelltransplantation ist die Verfügbarkeit geeigneter Spenderinnen und Spender, deren Knochenmark bestimmte Gewebemerkmale (HLA-Strukturen
) aufweist, die optimal mit dem Knochenmark des Betroffenen übereinstimmen. Je geringer die Übereinstimmung der Gewebemerkmale, desto größer ist die Gefahr potenziell schwerwiegender Abstoßungsreaktionen. Die beste Chance auf eine ausreichende Übereinstimmung dieser HLA-Strukturen besteht zwischen engen Verwandten wie zum Beispiel Geschwistern.
Ablauf der allogenen Stammzelltransplantation
Wenn eine passende Spenderin oder ein passender Spender gefunden wurde, werden die Betroffenen mit einer speziellen Chemotherapie auf die Transplantation vorbereitet (konditioniert). Dabei wird das blutbildende System der Patientinnen und Patienten und damit alle vorhandenen Tumorzellen zerstört. Die Chemotherapie kann auch durch eine Ganzkörperbestrahlung ergänzt werden. Anschließend werden den Betroffenen die Stammzellen der spendenden Person per Transfusion übertragen. Wenn sich die Stammzellen im Knochenmark der Patientinnen und Patienten angesiedelt haben, beginnen sie mit der Blutproduktion. Um Komplikationen wie die Graft-versus-Host-Disease (die Stammzellen erkennen die empfangende Person als fremd und greifen dessen Körperzellen an) zu vermeiden oder abzumildern, bekommen Betroffene Medikamente, die das Immunsystem für gewisse Zeit unterdrücken (Immunsuppressiva).
Zur zielgerichteten Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Myelofibrose stehen Januskinase (JAK)-Inhibitoren zur Verfügung. Bei rund 60 % der Betroffenen ist eine Mutation des Gens Januskinase-2 (JAK2) zu beobachten. Dieses spielt eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung innerhalb der Zellen, die durch die Mutation dauerhaft aktiviert wird. Dadurch kommt es zu einer unkontrollierten Vermehrung der unterschiedlichen Blutzellen und einer vermehrten Produktion von Bindegewebe im Knochenmark. Das Bindegewebe verdrängt im Verlauf der Erkrankung die blutbildenden Zellen und führt zu einer zunehmenden Verfaserung (Fibrotisierung) des Knochenmarks.
Eine Therapie mit JAK-Inhibitoren kann dazu führen, dass diese dauerhafte Überaktivierung des JAK-STAT-Signalweges gezielt gehemmt wird und sich die Anzahl der neugebildeten Blutzellen dadurch verringert. Das kann dazu beitragen, dass die krankheitsbedingten Symptome wie Fieber, Nachtschweiß sowie Gewichtsverlust reduziert und das vermehrte Bindegewebe im Knochenmark zurückgedrängt wird. Auch eine Verkleinerung der Milz, die infolge der aus dem Knochenmark dorthin verlagerten Blutbildung häufig vergrößert (Splenomegalie) ist, kann durch eine Behandlung mit JAK-Inhibitoren erzielt werden.1, 2 Das Vorliegen einer Mutation im JAK2-Gen ist dabei nicht ausschlaggebend für den Einsatz dieser Wirkstoffe, da auch Betroffene ohne eine entsprechende Genmutation auf die Therapie ansprechen können. Im Rahmen der Therapie sollte eine regelmäßige Kontrolle der Blutwerte erfolgen, da alle Formen der Blutzellen durch die Wirkung beeinflusst und im Einzelfall stark reduziert werden können. Zudem kann unter JAK-Inhibitoren ein erhöhtes Risiko für Magen-Darm-Beschwerden (z. B. Durchfälle, Blähungen, Verstopfung) und Infektionen bestehen.2
Daneben gibt es zur Behandlung von Myelofibrose verschiedene Ansätze einer problemorientierten Therapie, die sich nach der individuell vorliegenden Grundproblematik richtet und gezielt an die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten angepasst werden kann.1,2
Liegt bei den Betroffenen eine erhöhte Anzahl der Blutplättchen
(Thrombozyten) oder weißen Blutkörperchen (Leukozyten
) vor, kann sich eine Chemotherapie mit bestimmten Zytostatika günstig auf den Krankheitsverlauf auswirken. Es schränkt die Funktion des Knochenmarks ein, wodurch sich die Anzahl bestimmter Blutzellen reduzieren kann.1, 2 Ob und welche Nebenwirkungen auftreten, hängt von den verabreichten Wirkstoffen und ihrer Dosierung ab. Bestimmte Zytostatika können beispielsweise auch die Bildung roter Blutkörperchen beeinträchtigen und daher zu einer Blutarmut (Anämie) führen bzw. diese verstärken. Auch leichter Haarausfall oder Hautveränderungen bei intensiver Sonneneinstrahlung sind möglich.2
Im späteren Verlauf der Myelofibrose nimmt die Fibrotisierung des Knochenmarks zu und die Blutbildung ist teilweise stark eingeschränkt. Dadurch kommt es u. a. zu einem Mangel an roten Blutkörperchen (Erythrozyten), sodass bei Betroffenen häufig eine Blutarmut (Anämie) mit entsprechenden Symptomen auftritt. Wenn der Hämoglobinwert
eine bestimmte Schwelle unterschreitet, kann eine regelmäßige Gabe von Transfusionen mit Erythrozytenkonzentraten infrage kommen. Damit kann der Mangel an roten Blutkörperchen ausgeglichen werden. Über die Transfusionen wird dem Körper jedoch auch das in den Blutkörperchen enthaltene Eisen zugeführt, was die Gefahr einer Eisenüberladung mit sich bringt. Das macht häufig eine begleitende Therapie mit bestimmten Medikamenten, die das Ausscheiden von Eisen fördern, notwendig. Zudem können die regelmäßigen Transfusionen das Risiko für zum Teil schwere Komplikationen wie Infektionen sowie immunvermittelte Reaktionen erhöhen. Als weitere Möglichkeiten zur Behandlung der Anämie gelten u. a. Erythrozyten-stimulierende Agenzien (ESA) wie Erythropoetin, Kortikosteroide (z. B. Kortison) und männliche Sexualhormone (Androgene). Auch diese können teilweise mit Risiken wie einer Milzvergrößerung, Leberschäden und weiteren Nebenwirkungen einhergehen.1,2
Im Krankheitsverlauf kommt es häufig zu einer Vergrößerung der Milz (Splenomegalie). Ab einer gewissen Größe übt das Organ zunehmenden Druck auf die anderen Bauchorgane aus und verdrängt diese. Dadurch kann es zu Bauchschmerzen, Übelkeit, Völlegefühl, Problemen bei der Nahrungsaufnahme oder bei der Verdauung kommen. Sofern die Patientinnen und Patienten mit vergrößerter Milz nicht auf eine Therapie mit JAK-Inhibitoren ansprechen oder dafür nicht geeignet sind, kann eine Bestrahlung oder operative Entfernung des Organs infrage kommen. Durch gezielte Bestrahlung können die Milz verkleinert und die Symptome reduziert werden, die Wirkung hält jedoch nur zeitweise an und kann einen Mangel an Blutzellen (Zytopenie) bei den Betroffenen verursachen. Die operative Entfernung der Milz (Splenektomie) kann sich ebenfalls positiv auf die Symptomatik und das Allgemeinbefinden der Patientinnen und Patienten auswirken. Im Rahmen der Splenektomie besteht jedoch ein erhöhtes Risiko für schwere Nebenwirkungen wie Blutungen, Infektionen und Thrombosen bis hin zur Sterblichkeit, weshalb der Eingriff nur nach sorgfältiger Abwägung und Ausschöpfung anderer Behandlungsoptionen infrage kommt. Falls sich die Blutbildung infolge der Myelofibrose bereits vollständig in die Milz verlagert hat, ist eine Splenektomie ausgeschlossen.1,2